Also eines war nach dem Wochenende klar: Petrus hat kein besonderes Herz für queere Oldtimerfans.
Aber der Reihe nach:
Queerlenker konnte 2023 auf stolze 25 Jahre zurückschauen. Am 3.10.1998 hatte sich ein wackeres Dutzend schwuler Oldtimerfreunde das erste Mal getroffen und ein wunderbares Wochenende in und um Aachen verbracht – der Startschuss für eine echte Erfolgsgeschichte. Ralf hatte damals die Idee und das Treffen organisiert – und den Club dann 18 Jahre geleitet. Für Idee des Vorstands, dass es doch schön wäre, wenn er auch das Jubi- Wochenende ausrichten würde, bedurfte es keiner großen Überredungskünste.
Der Oktober war aus organisatorischen Gründen nicht möglich – so wurde es das Wochenende 11.August. Mitten im Sommer. Eine sichere Bank. Ha. Ha.
Das Hotel Mercure am Aachener Europaplatz war einmal mehr unsere Unterkunft und der Anreisefreitag war vielversprechend. Warm, gut gelaunte Queeries, vielstimmiges Hallo, Getränke und Schwatz am Pool – der ein oder andere sogar „im“.
Aber natürlich ist man als Organisator immer mit den Augen auf dem nächsten Tag und das verhieß schon nichts Gutes. Mit eeeetwas Glück würden wir von größerem Regen verschont bleiben. Aber „eeeetwas Glück“ blieb aus. Und so waren bei unserer Tagestour durch das niederländische Mergelland die Scheibenwischer im Dauereinsatz. Lassen sich Queeries davon die gute Laune verderben? Natürlich nicht!
Zumal unsere Ziele alle wasserdicht waren und trocken. Erster Stop waren die Mergelgrotten von Maastricht. Eine Stunde lang tauchten wir in eine Welt ab, in der es ohne eine Lampen vollständig finster gewesen wäre. Was wir einmal mehr als eindrucksvoll gezeigt bekamen.
Der Abbau des Mergelsandsteins für Bauten in der Region hat wahre unterirdische Kathedralen hinterlassen. Zufluchtsort im Krieg und ausgeschmückt mit großartigen Wandgemälden. Ohne einen kundigen Grottenführer wäre man unweigerlich verloren. Und so wurde auch permanent kontrolliert, ob auch keiner verlorengegangen ist.
Alles gut gegangen – wir waren hinterher weder mehr noch weniger.
Auch der Regen hatte langsam die Lust verloren – grau war der Himmel trotzdem, als wir unser Ausflugsschiff der Reederei Stiphout in Maastricht „enterten“ . Zu allem entschlossen, vor allen Dingen dazu, das bestellte kleine Mittagessen vollständig zu vernichten. Der kalte nasse Tag blieb draußen – wir schaukelten gemütlich über die Maas und innen duftete es nach Koffie verkeert und Gebak und Broodjes gezond.
Der Nachmittag war frei – Maastricht selber ist eine wunderbare kleine Stadt voller schöner Geschäfte und Cafés. Viele haben dem Wetter zum Trotz die Innenstadt erkundet, den Vrijthof und vor allen Dingen die wohl schönste Buchhandlung der Welt in einer ehemaligen Kirche.
Es gibt eben kein schlechtes Wetter, wenn man mit den richtigen Leuten unterwegs ist.
Entsprechend entspannt konnten wir den Abend angehen – wie schon am Freitag im eigenen Saal, diesmal mit eigenem Buffet. Dass es ein bezaubernder Abend wurde, lag dann vor allen Dingen an Funny Merlin. Im richtigen Leben Sascha und Magier. Mit Charme wurden kleinere Pannen und die Aufregung überspielt, unsere Herzen hatte er sowieso und so wurden er und sein (Lebens-)Partner am Ende der lustigen Show mit sehr viel Applaus belohnt.
Der restliche Abend war auch ohne Sascha magisch: gute Gespräche, wiederbelebte und neue Freundschaften, das obligatorische Hauben reißen als Nachtisch und das schöne Gefühl, sich nie wirklich fremd geworden zu sein.
Der Sonntag versuchte wettertechnisch ein bisschen den Samstag wieder gut zu machen.
Immerhin war es trocken, als wir nach Frühstück und Ausschecken ein letztes Mal vom Parkplatz des Hotels rollten. Das Ziel diesmal die Eifel. Vogelsang IP, wie es offiziell heißt. Wahnort des Naziregimes, um dort Führungseliten auszubilden. Zwei Jahrgänge durchliefen dort ihre lebensverachtenden Schulungen, dann stoppte der Krieg weiteren Größenwahn. Nach dem Krieg erst kurz in amerikanischer, dann für 5 Jahrzehnte in belgischem Besitz als Truppenstandort. Seit 2000 gehört („Burg“ – wie leider in bestem Nazi-Sprech immer noch gesagt wird) Vogelsang der Bundesrepublik und ist nun ein Ort der Erinnerung und der Mahnung. UND: Ort der größten privaten Opelsammlung Europas. Unser Ziel an dem Tag.
Die Familie Degener hat im münsterländischen Vreden über Jahrzehnte weit mehr als 200 Fahrzeuge zusammengetragen, bis es einfach nicht mehr ging. Für den berühmten „Appel und ein Ei“ haben die Wegener ein gigantisches Areal am Beginn von Vogelsang erworben und bauen es seitdem um für ihre Sammlung. Aus leeren verrümpelten Kellerräumen (inklusive der Garnisonskirche) ist so eine schlichte, aber beeindruckende Ausstellung geworden, „wo die Autos glänzen sollen, nicht die Räume“, wie Martin Degener uns bei der Privatführung erzählte. 220 verschiedenstes Autos mit dem berühmten Blitz sind dort nun zu sehen. Von hot bis Schrott, aber zu jedem weiß Martin Degener eine Geschichte zu erzählen und das hat er bei unserem Besuch auch ausgiebig gemacht. Auf seine ruhige, westfälische Art und wir haben gerne gebannt mit großen Ohren und Augen zugehört.
Der unvorstellbare Kraftakt des Umbaus (beim Kauf gab es drei 10-Liter-Eimer Schlüssel, ohne eine Ahnung, welcher wo passt…..) ist das Vermächtnis der Degenerbrüder an ihre Kinder und an alle Opel- und Oldtimerfans. Dass all das sicher nicht für einen Appel und Ei zu bewerkstelligen war, ist auch klar. Wir ahnen einen Betrag von 7 Stellen, aber auch darüber schweigt sich der Westfale Degener genüsslich aus.
Ein beeindruckender und herzlicher Besuch – unsere Freude an seinen Autos hat dem Hausherrn sichtlich gefallen.
Die Ersten zieht es nach dem Besuch schon direkt nach Hause, der Strecke wegen. Die anderen schlendern über die Anlage Richtung Zentralbauten. Die Schönheit des Ausblicks auf das Urfttal mit der Talsperre lässt zu schnell vergessen: Vogelsang war nie als friedlicher Ort geplant. Vogelsang ist zu einem friedlichen Ort geworden. Und doch ist man deutschem Größenwahn der Nazizeit selten so nah. Irgendwie trägt jeder diesen Gedanken in sich – man kann es auch nicht einfach ausblenden. Viel wird dort getan, diese Geschichte als Mahnung zu bewahren. Und gleichzeitig gelingt es, den Ort neu und positiv zu besetzen und zu beleben.
Im Restaurant sitzen wir zum Abschluss noch einmal zusammen. Halb noch in Gedanken bei den Erlebnissen des Wochenendes, einige, verständlicherweise, schon halb in Gedanken bei der Rückfahrt.
Schön war es, Petrus. Richtig schön! Nur, damit Du Bescheid weißt. Dein Regen und deine grauen Wolken haben uns die Laune nicht verderben können. Also versuch es beim nächsten Mal gar nicht erst wieder.
Danke!
Ralf, der Gründer von Queerlenker